Seit 17 Jahren unterwegs...
Gemäss Guinness-Buch der Weltrekorde
haben sie die am längsten dauernde, durch die meisten Länder
führende und distanzmässig grösste Reise mit ein und demselben
Motorfahrzeug gemacht... - das Schweizer Buchhalter-Ehepaar
Emil und Liliana Schmid (beide 58) aus dem Zürcher Oberland.
Im folgenden ein leicht gekürztes Interview, welches das
Reisemagazin "Globetrotter" mit den beiden "Weltrekordlern"
bei einem Zwischenhalt in der Schweiz führte.
Am 16. Oktober 1984 seid ihr beide in
euren Toyota Landcruiser gestiegen, um auf Weltreise zu
gehen...
E: Nicht ganz! Wir haben das Auto nach
Montreal verschifft und sind mit dem Zug nach Luxemburg
gefahren und von dort nach New York geflogen.
Was war das für ein Gefühl, als ihr vor 17
Jahren nach nicht enden wollenden Reisevorbereitungen endlich
im Zug sasset?
L: Ich war wahnsinnig froh, dass wir den
ganzen Stress endlich hinter uns hatten.
E: Wir hatten bis zum letzten Moment ein
Riesentheater. Um ein Haar hätten wir sogar noch den Zug
verpasst. Ich kann unser Gefühl in einem Wort zusammenfassen:
ENDLICH!
L: Das «Gschtürm» ging dann zwar noch weiter…
Für mich begann die grosse Freiheit erst in unserem
Billighotel an der 42. Strasse. Die ganze Nacht durch heulten
die Sirenen von Polizei- und Feuerwehrautos. Es war
herrlich...
Ihr habt im Alter von 42 Jahren
gutbezahlte Jobs an den Nagel gehängt. War das im Rückblick
eine mutige oder eher eine leichtsinnige Entscheidung?
L: Weder noch. Wir wollten damals ja bloss
für ein Jahr weg. In jener Zeit hätten wir leicht wieder eine
Stelle gefunden. Heute sieht's natürlich anders aus...
Aus einem Jahr sind mittlerweile 17
geworden - und ihr seid immer noch unterwegs. Wo seid ihr bis
heute überall gewesen?
E: 2 Jahre Nordamerika, 2 Jahre Südamerika, 4
Jahre Afrika, 1 Jahr Australien, 1/2 Jahr Südostasien, 1 1/2
Jahre Naher und Mittlerer Osten bis nach Indien und 3 Jahre
Europa. Deutschland war unser 100. Land. Da machte Toyota
wegen uns eine Riesengeschichte. Und der Vatikan war das 114.
Land. Damit brachen wir den alten Rekord im «Guiness Book of
Records».
Ein unglaublicher Trip! Ebenso unglaublich
ist es aber für mich, dass ihr all die Jahre durch akribisch
Buch geführt habt. Worüber gibt euer Logbuch genau
Auskunft?
E: Fahrstunden, Fahrkilometer,
Benzinverbrauch, Autoreparaturen, Service-Arbeiten: Diese
Statistiken betreffen das Auto. Dann habe ich aber auch jede
Geldausgabe festgehalten und zwar unterteilt in Benzin,
Bussen, Visa, Filme, Telefon...
Du hast also all die Jahre jeden
Münzeinwurf fürs Telefonieren und jedes Glace
festgehalten?
E: Natürlich! Die Glaces habe ich übrigens
unter «Essen» aufgeführt. Neben der Kategorie «Essen» führe
ich auch eine separate Kategorie «Getränke». Da kommt zum
Beispiel ein Kaffee in einem Restaurant rein. Neben der
Kategorie «Diverses» habe ich auch noch eine Kategorie «Auto».
Da sind Ausgaben für Autofähren, Autoreparaturen, Ersatzteile
und Öl drin. Diese weitgefasste Kategorie macht mir schon
lange Mühe. Das muss ich jetzt dann mal auseinanderdividieren.
Ich will doch nicht, dass die Ausgaben für die Fähren mit den
Reparaturen vermischt sind!
Das ist ja ein Wahnsinn! Du hältst also
wirklich jeden Fünfer fest?
E: Jeden Fünfer! Zuerst notiere ich die
Beträge immer in der jeweiligen Landeswährung. Dann rechne ich
die Ausgaben in US-Dollar um, weil meine ganze Statistik auf
Dollarbasis ist.
Führst Du noch andere Statistiken?
E: Ich halte zum Beispiel auch jeden
Plattfuss fest. Mittlerweile sind wir da bei 128. Ich notiere
jeden Ölwechsel und jeden Kerzenwechsel. Nein, nicht nur jeden
Kerzenwechsel, auch jede Reinigung der Kerzen. Müssen etwa die
Kolbenringe ersetzt werden, schreibe ich Tag, Stunde,
Fahrkilometer und Ort auf. Mittlerweile sind das 5 Bücher.
Hast Du dir auch schon Gedanken darüber
gemacht, woher deine Buchhaltungs-Manie kommt?
E: Das hat sicher auch mit meinem alten Job
zu tun...
Aber wolltest Du nicht gerade daraus
ausbrechen?
E: Nein, wir wollten aus dem blöden
Alltagstrott ausbrechen.
Aber dazu gehört doch auch das stete
Messen, Quantifizieren, Festhalten.
E: Nicht unbedingt. Natürlich gibt es
Globetrotter, die selbst ihre Uhr zurücklassen. Das könnte ich
nie! Ich will doch wissen, wie spät es ist! Ich höre auch
jeden Morgen BBC, und ich kaufe immer Zeitungen. Auch
unterwegs bin ich stets mit beiden Beinen fest im Leben.
In eurer Pressedokumentation steht, dass
ihr 340'527 Kilometer bzw. 8612 Stunden auf der rechten und
122'840 Kilometer bzw. 3378 Stunden auf der linken
Strassenseite gefahren seid. Du hast sogar ausgerechnet, dass
eure bislang verschossenen 16'730 Dias und 15'000 Papierbilder
einem Foto pro 15 Kilometer bzw. 23 Minuten Fahrzeit
entsprechen. Geht das nicht etwas weit?
L: Das macht ihm halt einfach Spass.
E: Das sind doch einfach Zahlenspiele.
Habt ihr wirklich nie den heimlichen
Wunsch, diese aufwendige Dokumentationsarbeit aufzugeben und
einfach locker durch die Welt zu reisen?
L: Je länger
je weniger. Vielleicht kann ich das ganze Material ja mal
auswerten. Ich würde gerne ein Buch über unsere Reise
schreiben.
E: Es ist doch so: Tagsüber läuft ständig
etwas: In Zaire steckt man im Dreck, in der Sahara im Sand und
in Kairo im Verkehr. Aber abends, da hat man Zeit, bei einem
Bier nochmals alles relaxt nachzuvollziehen.
L: Aber es gibt schon Tage, wo ich so
ausgelaugt bin, dass ich mich zum Tagebuchschreiben zwingen
muss...
E: Ja, aber du hast es auch schon am nächsten
Tag nachgeschrieben oder sogar erst am übernächsten...
L: ...bis du dann jeweils sagst: «So, jetzt
ist's aber wirklich Zeit fürs Tagebuch!»
E: Ja, es wäre doch auch schade, wenn da
etwas vergessen ginge.
Wie lange bleibt ihr durchschnittlich an
einem Ort?
Etwa 2 bis 3 Tage. Die Zahl erhält man, wenn
man die Reisedauer durch die Anzahl Nachtplätze teilt. Auch da
gibt es natürlich immer wieder Grenzfälle: Wenn ich bereits
früher einmal auf ein und demselben Platz war, dann zählt der
nicht mehr als neuer Nachtplatz, auch wenn dazwischen Jahre
liegen.
17 Jahre «on the road»: Habt ihr nicht
gelegentlich den Wunsch, irgendwo etwas länger zu
bleiben?
L: Wenn man am Fahren ist, hat man Mühe, den
Motor abzustellen. Aber wenn's uns mal irgendwo gefällt, dann
sind wir - wie zum Beispiel an jenem Strand in Togo - auch
schon mal einen Monat geblieben.
E: Aber irgendwann ist dann fertig. Es ist
eigenartig: Sind wir mal ein paar Tage an einem Ort, dann
werden daraus leicht Wochen. Und dann ist's anfänglich
wirklich schwierig, sich wieder aufzuraffen. Sobald wir dann
aber auch nur 100 Meter gefahren sind, ist's wieder okay. Dann
sind wir wieder drin.
Bei einer durchschnittlichen
Aufenthaltsdauer von gut zwei Tagen pro Ort seid ihr aber
praktisch dauernd unterwegs.
E: Wir sind auch schon 6 Wochen ohne Rasttag
durchgefahren.
L: Ja und dann schauen wir uns vielleicht
zwei Tage lang eine Stadt an, und dann sind wir wieder drei
Wochen lang täglich unterwegs.
Wird dieses ständige Reisen nie zur
Belastung?
E: Nein, im Gegenteil.
L: Es hält uns meist nichts länger an einem
Ort. Es hat halt nichts Gewaltiges, das uns bleiben
liesse.
E: Wenn wir zum Beispiel bei den
Iguazú-Fällen sind, fahren wir natürlich nicht schon am
nächsten Tag weiter.
In diesen vielen Reisejahren hat sich
sicher auch eine gewisse Alltagsroutine entwickelt. Beschreibt
mal einen ganz gewöhnlichen Reisetag!
L: Emil wacht stets beim ersten Tageslicht
auf. Dann muss auch ich aufstehen. Anschliessend bereite ich
das Frühstück zu. Dafür lassen wir uns Zeit, meist etwa zwei
Stunden. In unserem kleinen Fahrzeug können wir weder stehen
noch kochen. Deshalb ist es bei Regen natürlich nicht so
ideal. Wir kochen übrigens immer mit einem kleinen
Benzinkocher.
E: Während sie das Frühstück macht,
installiere ich den Radio für die BBC-Nachrichten.
L: Dann wasche ich ab, und Emil trocknet ab.
Ich versorge alles, und er putzt die Fenster, kontrolliert den
Ölstand und notiert die Kilometer. In der Regel sind wir dann
bis zwei oder drei Uhr nachmittags unterwegs. Um diese Zeit
meldet sich langsam der Hunger: Wir suchen uns ein nettes
«Plätzli», und ich koche. Das ist dann unsere Hauptmahlzeit,
Mittag- und Abendessen in einem. Am späten Nachmittag geht es
weiter. Vor dem Eindunkeln suchen wir unseren Nachtplatz. Das
ist auch heute noch unser grösstes Problem: jeden Abend einen
sicheren Nachtplatz zu finden.
Wie teilt ihr euch die tägliche
Arbeit?
E: Waschen, Kochen und Tagebuchschreiben: Das
sind Lilianes Aufgaben. Ich fahre immer und besorge den
Fahrzeugunterhalt.
Ihr reist mit unglaublich viel Material
durch die Welt. Gibt es auch dazu irgendwelche Zahlen?
E: Voll beladen hat der Wagen rund
viereinhalb Tonnen; netto wiegt er rund zweieinhalb
Tonnen.
Das heisst also, dass etwa zwei Tonnen
Ausrüstungsmaterial in euren kleinen Toyota Landcruiser
gestopft sind. Ein sehr kleines Zuhause für eine derart lange
Reise! Warum reist ihr nicht in einem etwas grösseren
Fahrzeug?
E: Wir haben uns damals für den Landcruiser
entschieden, weil wir von einer einjährigen Afrikareise
ausgingen. Heute würde ich einen Landcruiser Pick-up mit
Aufbau und einem starken Dieselmotor kaufen.
Ihr habt inzwischen rund eine halbe
Million Kilometer zurückgelegt. Wie sieht eure
Pannen-Statistik aus?
E: Es gibt immer wieder Reparaturen. Alle
3620 Kilometer - bzw. alle 94 Fahrstunden - hatten wir einen
«Platten». Wir verbrauchten bislang 56 Reifen, 21 Batterien,
84 Zündkerzen, 42 Stossdämpfer und 16 Luftfilter. Wir mussten
aber noch kein einziges Mal abgeschleppt werden! Nicht einen
einzigen Meter!
Nach 134 Ländern seid ihr eine Art globale
Verkehrsexperten. Wo ist das Autofahren am
schlimmsten?
L: In Kairo und Damaskus. Da war das Chaos am
grössten.
E: Kairo stellt wirklich hohe Ansprüche! Da
gibt's keinen freien Quadratzentimeter auf der Strasse.
L: Vom Fahrverhalten her ist aber Indien am
schlimmsten.
Wie sieht eure Unfallbilanz aus?
E: Null und nichts!
L: Nicht mal ein grösseres Tier kam uns
bislang unter die Räder.
Ihr schlaft fast immer irgendwo im Freien.
Seid ihr auch schon mal überfallen worden?
E: Nein. In Mazedonien ist's mal versucht
worden. Und in Harare hat mir eine Bande 40 Pfund abgenommen.
Auch gestohlen worden ist uns noch fast nichts: ein paar
Schuhe in der Elfenbeinküste, ein Messer in Peru, ein
Kopfkissen in Malawi und eine Instamatic-Kamera im Iran.
Das Reisen im eigenen Fahrzeug hat ganz
offensichtliche Vorteile. Wo seht ihr die Nachteile?
L: Man muss ständig aufs Auto aufpassen, vor
allem in Grossstädten. Da parkieren wir stets entlang
möglichst belebter Strassen. Das ist am sichersten. Ein
Nachteil ist auch, dass man weniger Kontakt mit der
Bevölkerung hat als jene Globetrotter, die mit öffentlichen
Verkehrsmitteln reisen, in Hotels schlafen und in Restaurants
essen. Und schliesslich ist's in Wüstengebieten im Auto oft
ungemütlich heiss zum Schlafen.
Bei Selbstfahrern dreht sich doch ständig
alles ums Auto. Das Fahrzeug wird zum Mittelpunkt der Reise.
Stört euch das nicht?
L: Nein, überhaupt nicht. Ich kann mir das
Reisen ohne eigenes Fahrzeug schon gar nicht mehr vorstellen.
Die erwähnten paar Nachteile fallen da kaum ins Gewicht. Wir
können anhalten, wo und wann wir wollen. Und vor allem sind
wir dank dem Auto viel mehr in der Natur.
Selbstfahrer sind doch aber auch Geiseln
ihres fahrenden Untersatzes: Man kann die Karre kaum alleine
lassen, Fliegen liegt nicht drin, und Schiffspassagen sind
kompliziert und teuer.
L: Zugegeben, Kontinentwechsel sind ein
Problem. Und kostspielig.
Wer von euch beiden ist der grössere
Draufgänger?
L: Das bin eher ich. Emil ist in der Regel
etwas zurückhaltender. Er sagt dann jeweils: «Wenn's
schiefgeht, muss ich es ausbaden.» Ich vertraue halt einfach
drauf, dass er schon eine Lösung finden wird.
E: Also wenn zum Beispiel die Strasse immer
schlechter wird, dann...
L: ...dann fluchst du erst mal!
E: Ich will ja nicht umkippen und das Auto zu
Schrott fahren. Voll beladen hat unser Landcruiser einen sehr
hohen Schwerpunkt. Da müssen wir gelegentlich wie beim Segeln
seitlich heraushängen, um ein Umkippen zu vermeiden.
Ihr lebt rund ums Jahr auf allerengstem
Raum zusammen und das unter physisch und psychisch oft
schwierigen Umständen. Jeden Tag müssen Dutzende von kleineren
und grösseren Entscheiden gefällt werden. In welchen
Situationen gerät ihr euch leicht in die Haare? Welches sind
eure wunden Punkte?
L: Die Suche nach einem Nachtplatz. Das ist
oft etwas stressig. Der eine findet, es ist besser hier, der
andere hält den Platz für zu unsicher: Da wird es gelegentlich
etwas ungemütlich.
E: Wenn's immer dunkler wird und wir immer
noch keinen Nachtplatz gefunden haben, dann gerate ich halt
leicht in Panik. Meist sind es aber absolute Lappalien, die
einen Streit auslösen.
Berufs-Globetrotter wie ihr haben kaum
Gelegenheit, einen Freundeskreis aufzubauen. Ausserhalb der
zwangsläufig sehr intensiven Zweierkiste folgt lange nichts
mehr. Wie wirkt sich dieses Manko auf Dauer aus?
L: Wenn wir mal auf einem Campingplatz
übernachten, sehe ich Emil nicht mehr. Dann unterhält er sich
dauernd mit anderen Globetrottern.
Und Du spürst dieses Bedürfnis
weniger?
L: Ich glaube...
E: Also dir geht's doch genauso! Zudem
brauche ich diesen Informationsaustausch, weil ich ja auch
fürs Navigieren zuständig bin. Ich lese die Karten, ich lese -
neben dem Fahren - auch noch die Stadtpläne... Klar, dass ich
mich bei jeder sich bietenden Gelegenheit mit
entgegenkommenden Reisenden unterhalten muss.
Bedauert ihr eigentlich, sonst keine
Freunde haben zu können?
L: Nein, überhaupt nicht. Wir haben früher
schon alles zusammen gemacht. Emil hatte nie Kegel-Kumpels,
und ich hatte nie das Bedürfnis, mich bei einer Freundin
auszusprechen.
E: Wir machen generell alles zusammen. Ganz
klar, dass wir auch gemeinsam zu diesem Interview gekommen
sind. Wir sind ein Extrem-Team!
Ihr habt mehr von der Welt gesehen als die
meisten Menschen. Und ihr beide seid Naturfreunde, die die
meiste Zeit in der Wildnis verbringen. Ich komme deshalb nicht
umhin, euch diese etwas simple Frage zu stellen: Wo war's am
schönsten?
L: Die Fahrt über den San Francisco-Pass in
Chile! Am Morgen leuchten da die Grasbüschel wie Gold. Wir
fuhren durch ein Tal, links und rechts ragten die Berge in den
Himmel... Den Moment werde ich nie vergessen!
E: Die Iguazú-Fälle! Und der
Karakorum-Highway im Herbst!
Ihr führt ein extremes, ein intensives
Leben. Sicher prägen euch diese tiefen Naturerlebnisse auch
irgendwie. Hat das Spuren in eurem Weltbild, vielleicht auch
in eurem religiösen Empfinden hinterlassen?
L: Ich sehe da keinen Zusammenhang zur
Religion. Sicher, wir sind heute viel naturverbundener als
früher. Schon kleine Naturerlebnisse können Glücksgefühle
hervorrufen.
E: Auch für mich hat das nichts mit Religion
zu tun. Mich ärgert es vielmehr zu sehen, wie heute die Natur
kaputt gemacht wird.
Reisen kann zuweilen aber natürlich auch
mühsam sein. Im einen Land hat man sich mehr, im anderen
weniger mit Unannehmlichkeiten auseinanderzusetzen. Welches
Land habt ihr da in besonders unguter Erinnerung?
L: Usbekistan! Die korrupte Polizei kann
einem da das Leben zur Hölle machen. Da war ich wirklich froh,
als wir die Grenze nach Kirgistan passierten.
E: Ex-Jugoslawien, Bulgarien, Rumänien und
Albanien. Nirgendwo sonst habe ich die Bevölkerung in derart
unguter Erinnerung.
Und welches sind eure
Lieblingsländer?
L: Chile hat mir wahnsinnig gut gefallen!
Unglaublich diese Vielfalt: Gletscher, Wüsten, Berge, das
Meer. Und dann der Oman mit seiner starken Tradition.
Überhaupt gefallen mir die arabischen Länder sehr gut.
Viele GlobetrotterInnen erleben das aber
ganz anders!
L: Ich habe da keine Probleme. Man muss sich
halt den Landessitten anpassen.
E: Auch bei mir stehen Chile und der Oman
ganz oben auf der Liste. Beides sind absolut faszinierende
Länder! In Chile steht für mich auch die Natur, im Oman die
Kultur im Vordergrund. Auch Namibia hat uns beiden sehr, sehr
gut gefallen.
15 Jahre auf Achse und unterwegs nie
dazuverdient: Für wie lange reicht das Geld noch?
L: Noch etwa ein Jahr.
E: Ich glaube, es reicht noch für zwei. Es
kommt halt drauf an, wie sparsam wir sind.
Wie kommt ihr finanziell bis zur AHV über
die Runden?
E: Vielleicht können wir unsere
Reiseerlebnisse irgendwie vermarkten. Ich denke da zum
Beispiel an Diavorträge. Vielleicht bietet sich aber auch im
Tourismus eine Möglichkeit. Wir sind da optimistisch.
Den Eintrag ins «Guinness Book of Records»
habt ihr geschafft. Seid ihr nun immer noch auf
Rekordjagd?
E: Unser grosses Ziel haben wir damit
erreicht. Kleinere Ziele haben wir aber schon noch: Da ist
etwa die 500'000-Kilometer-Grenze. Eine halbe Million
Kilometer! Das ist so eine magische Zahl.
Wie gross ist euer Sicherheitsbedürfnis?
Wie steht's mit Unfall-, Krankheits-, Diebstahl- und
Privathaftpflichtversicherungen?
E: Nichts davon! Anfänglich waren wir noch in
der Krankenkasse, zuerst sogar noch privat, dann halbprivat,
später allgemein... und nun sind wir ganz draussen.
L: Wir waren in all den Jahren ja kaum je
krank. Wir sind sehr optimistisch geworden.
Dann habt ihr euch allmählich vom typisch
schweizerischen Sicherheitsdenken verabschiedet?
E: Total!
Wie hoch Sind eure durchschnittlichen
Tagesausgaben?
E: Über all die Jahre und alles inbegriffen
sind es genau 35 US-Dollar und 54 Cents pro Tag. Darin sind
einzig unsere sechs Ozean-Überquerungen nicht dabei. Alles in
allem dürften wir bislang rund 300'000 Schweizer Franken
ausgegeben haben.
Gibt es von Kontinent zu Kontinent grosse
Abweichungen?
E: In Europa waren es rund 50 Dollar pro Tag,
in Afrika 42, in Asien 36, in Australien 33, in Nordamerika 28
und in Südamerika gaben wir im Schnitt zusammen täglich 26
Dollar aus.
Ihr habt eine Dokumentation mit dem Titel
«Zwischenbilanz einer Weltrekordreise» zusammengestellt.
Welche Rekorde beansprucht ihr für euch?
E: Zuerst und vor allem natürlich den im
«Guinness Book of Records» eingetragenen Weltrekord für die
«längste Reise mit einem Motorfahrzeug». Gemäss BBC haben wir
die am längsten dauernde, durch am meisten Länder führende und
distanzmässig grösste Reise mit ein und demselben
Motorfahrzeug gemacht.
Ihr seid also mit mehreren Kilo
Beweismaterial nach London gereist, um euch einen Eintrag in
dieser Weltrekordsfibel zu sichern. Warum ist das für euch
derart wichtig?
E: Ich bin natürlich stolz, dass ich eine von
zwei-, dreitausend Personen bin, die in diesem weltbekannten
Buch vertreten ist.
Gut, aber ein schöner Teil dieser zwei-,
dreitausend Personen sind doch absolute Spinner. Da kommt man
ja auch rein, wenn man den längsten Furz für sich beanspruchen
kann...
E: Bei uns mag das Buch aufgrund von
Tortenfresser-Rekorden einen etwas zweifelhaften Ruf haben. In
England ist das aber ganz anders! Und in der Dritten Welt
werden Rekordinhaber fast wie Heilige verehrt. Eine Inderin in
Dubai hat mir am Telefon mal gesagt, sie freue sich so, dass
sie mal mit jemandem sprechen könne, der im «Guinness Book of
Records» aufgeführt sei. Das ist natürlich lachhaft für mich.
Trotzdem gibt mir dieser Eintrag aber eine gewisse persönliche
Befriedigung. Man hat doch etwas erreicht.
Ist diese Weltrekords-Geschichte
eigentlich ganz und gar Emils Kind?
L: Also ich bin da schon mit dabei. Aber Emil
ist das vielleicht doch noch ein wenig wichtiger als mir.
E: Was heisst da «wichtig»! Ich finde
einfach, dass sich da etwas draus machen lässt. Leider habe
ich aber aufs falsche Pferd gesetzt: Ich dachte, Toyota sei an
unserem Weltrekord-Projekt interessiert. Dem war aber nicht
so. Im europäischen Toyota-Hauptquartier zeigte man sich zwar
stolz auf unseren Weltrekord, aber man war trotzdem nicht
bereit, uns zu sponsern. Bei unserer zunehmend prekären
Finanzlage wäre uns eine solche Unterstützung natürlich sehr
gelegen gekommen. Bislang hat uns Toyota gerade mal einen
kostenlosen Service zugesichert.
Eure Weltkarte zeigt ja kaum mehr weisse
Flecken. Was macht ihr, wenn ihr alle rund 200 Länder befahren
habt?
L: Dann beginnen wir wieder von vorne!
E: Sofort! Nur müssen wir dann einen
ordentlichen Sponsor haben. Mit eigenen Mitteln wird das nicht
mehr möglich sein...
...und sonst habt ihr dann ja endlich
Zeit, die Tagebücher zu lesen, die Fotos anzuschauen und die
Statistiken noch weiter auseinanderzudividieren.
E: Ja, wir werden in unseren alten Tagen noch
viel zu tun haben.
Und wo werdet ihr diese «alten Tage»
verbringen?
L: Am besten würde es mir in der Südsee
gefallen. Wenn's da bloss nicht so teuer wäre...
E: Wahrscheinlich wird's drum eher irgendwo
in Südeuropa sein.
Copyright © 2001 Emil und Liliana Schmid /
Globetrotter