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Seit
560 000 Kilometern unzertrennbar: Emil und Liliana Schmid und ihr
zwanzigjähriger Toyota Serpentinen im Geröll: Der Sani-Pass in
Lesotho, Afrika Camping wie in der Reklame: In Kuala Kubu Bahru,
Malaysia Der Weg ist das Ziel: Auf der Transpantaneira,
Brasilien
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VON
ANDREAS GÜNTERT
Hallo Welt, hier kommt Wallisellen! In den nächsten Tagen verschiffen
Emil und Liliana Schmid ihren Toyota Landcruiser von Miami nach Venezuela.
Anschliessend wird das Schweizer Paar nach Caracas fliegen, den Wagen im
Hafenstädtchen La Guaira abholen und mit der Fähre nach Curaçao
übersetzen. Die Passage, die dem gemeinen Verkehrsteilnehmer schlaflose
Nächte machen würde, ist Alltag für die Schmids. Immerhin sind sie mit
ihrem Landcruiser - derzeitiger Tachostand 560 000 Kilometer - schon eine
ganzes Weilchen nonstop auf diesem Planeten unterwegs: Seit etwas mehr als
18 Jahren. Als Emil und Liliana Schmid, heute beide 60, im alten
Jahrtausend im Zürcher Trabantenstädtchen losfuhren, war fürs Erste eine
zweijährige Durchquerung Afrikas geplant. Weil kurz vor der Abreise am 18.
Oktober 1984 aber Nigeria seine Grenzen schloss, mussten die Schmids
umdisponieren. Statt dem Schwarzen Kontinent nahm das Paar in einer
ausgedehnten Reise Nord-, Zentral- und Südamerika unter die Räder.
Spätestens als die ursprünglich veranschlagten zwei Jahre vorüber waren,
der Landcruiser immer noch Dienst tat und die Reiselust bei den Schmids
noch intakt war, war klar: Heimkehren gilt nicht. «Das Reisevirus», sagt
Liliana Schmid, «hatte uns längst erwischt.» Also fuhr und fährt man
weiter. Bei einer derart ausgeprägten Reise-leidenschaft kommt einiges
an befahrenen Ländern zusammen. Mit den niederländischen Antillen werden
die Schmids in den nächsten Wochen ihren 135. Staat queren. Längst hat ihr
Toyota, Jahrgang 1982, Furchen auf allen Kontinenten gezogen, dabei 59
Reifen, 24 Batterien, 102 Zündkerzen, 21 Luftfilter und 42 Stossdämpfer
verbraucht. Das Paar weiss dies alles so genau, weil Emil Schmid, ehemals
Finanzchef in einem mittleren Zürcher Familienunternehmen, ein gewisses
Flair für Statistik entwickelt hat auf der Reise. Jeder Meter, den Schmids
fahren, ist neues Rohmaterial für Emils Erfolgsrechnung. Der nimmermüde
Buchführer aktualisiert seinen «Statistikladen» öfters. Bitte schön:
«Geknipste Bilder: 19 130 Dias, 18 500 Papierbilder, 3530 Digitalbilder».
Und, eher autospezifisch: «Motorenöl 79-mal gewechselt, 169-mal Fähre oder
Frachter benutzt, Standort durchschnittlich jeweils nach 2,6 Tagen
verändert.» Nur eine Zahl in Schmids «Statistikladen» ist seit Start
gleich geblieben: Anzahl der verbrauchten Motoren: 1.
35 Dollar
pro Tag müssen im Durchschnitt genügen
Der Toyota Landcruiser
FJ60, den die Schmids im Mai 1982 neu gekauft hatten, ist einfach nicht
totzufahren. Der Sechszylinder mit 4228 Kubik, 120 PS, Klimaanlage und
hundertprozentig sperrendem hinterem Differenzialgetriebe läuft und läuft.
Und säuft: 134 882 Liter Benzin hat er auf der Reise schon konsumiert,
getränkt an total 1415 Tankstellen. Schmid hats noch genauer:
«Durchschnittlich 95 Liter pro Bezug. Der 100 000. Liter beispielsweise
wurde am 28. April 1996 in den Vereinigten Arabischen Emiraten
verbraucht.» Das Auto ist das rollende Zuhause der Schmids. Den
hinteren Teil ihres Landcruisers haben die Dauerreisenden zum Schlafen
ausgerüstet, unter der Liegefläche (175x 53 Zentimeter) Stauraum für
Lebensmittel, Geschirr, Kochutensilien und Werkzeuge geschaffen. Tagsüber
werden die beiden Matratzen an die Decke des Autos gehängt. Zusätzliche
Aluminiumkisten auf dem Dach beinhalten Ersatzteile, Zelt, Rucksack und
Winterkleider. Selbst gewaschen wird bei Schmids unterwegs: Waschmittel,
Wasser und Dreckwäsche werden so in einen Weithalskanister eingefüllt,
dass das Schütteln beim Fahren «die Funktion einer Waschmaschine im
Kaltwaschgang übernimmt», wie das Paar aus Wallisellen erklärt. Über die
Anzahl der Kaltwaschgänge sagt Emil Schmids Statistik nichts. Wohl aber
über die Durchschnittsausgaben auf der Reise: 35 US-Dollar pro Tag.
Spätestens jetzt brummt der Durchschnittsschweizer: 18 Jahre
unbeschwertes Weltengondeln - wie machen die das? Die Schmids kennen die
Frage. Als Doppelverdiener habe man seit der Heirat 1969 bis zur Abfahrt
1984 etwas auf die Seite gebracht. Eine Erbschaft von Liliana Schmid,
sie war vor der Abreise Geschäftsleitungssekretärin, half 1991 für ein
paar tausend Kilometer weiter. Von Zeit zu Zeit bessern sich die Schmids
ihre Reisekasse mit Artikeln in Abenteuer- und Allradzeitschriften auf.
Man spare, sagt Liliana Schmid, wo man könne, achte beim Einkauf auf
Aktionen, fahre schonend und mache sich nichts aus Luxus. Rund ein Drittel
der Ausgaben geht fürs Benzin drauf, geschlafen wird fast ausnahmslos im
eigenen Auto. Nächster Sponsor ihrer Tour wird der Staat sein - in ein
paar Jahren schon gibts AHV für die Schmids.
Zum 500 000.
Kilometer gabs ein Laptop als Geschenk
Was auffällt im
18-jährigen Fahrplan der Schmids: Immer wieder streuen die Walliseller
Abstecher in den Mittleren Osten ein. Schon viermal sind die beiden
Nimmermüden auf die Vereinigten Arabischen Emirate zugefahren oder
zugeschippert. Sitzt dort etwa ein Scheich, der den Ölhahn für die Schmids
öffnet oder zumindest sponsert? Nicht ganz. Doch im Mittleren Osten
stossen die Schmids immer wieder auf offene Kassen. Die
Toyota-Niederlassung in den Emiraten, erzählt Emil Schmid, habe sich
grosszügig bei Reparaturen gezeigt, dann und wann ein Hotelzimmer oder
sogar eine Einreise gesponsert. Als im Jahr 1999 der 500 000. Kilometer zu
feiern war, stiftete IBM Dubai ein Laptop. Die aktuelle Verschiffung des
Toyotas von Miami nach Venezuela wird von einer Schiffslinie «grosszügig
ermöglicht».
Schmids härteste Konkurrenten haben nach drei
Jahren aufgegeben
Trotzdem, sagt Emil Schmid, werde die Route
nicht nach den Domizilen möglicher neuer Sponsoren geplant. Sondern nach
neuen Ländern. Denn noch gibt es viele weisse Flecken auf ihrer Landkarte.
«China, Angola, Moçambique, Äthiopien - das fehlt uns alles noch», sagt
Liliana Schmid, die sich mit ihrem Gatten nun erst einmal auf die
niederländischen Antillen (135. Land), Trinidad (136. Land), Guyana (137.
Land) und Surinam (138. Land) freut. Nach der Südamerika-Rotation soll
dann Afrika angesteuert werden. Immerhin haben die Schmids einen Titel zu
verteidigen: Den eines Weltrekordreisepaares. Am 12. Mai 1997, Schmids
fuhren eben «mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 10 km/h» durch den
Vatikan, übernahmen sie den ersten diesbezüglichen Platz im «Guinness-Buch
der Rekorde». Und verteidigen diesen Rang seither. Kunststück - die
Konkurrenz schläft. «Wir kennen ein US-Paar, das am 6. Januar 2002 nach
drei Jahren und 116 Ländern aufgegeben hat», sagt Emil Schmid, «sonst
haben wir zurzeit keine Kenntnisse über einen Anwärter auf unseren
Weltrekordtitel.» Über 18 Jahre im gleichen Auto unterwegs, Tag für
Tag und Nacht für Nacht zusammen - gibt das nicht manchmal Weltrekordzoff
zwischen Emil und Liliana Schmid? Gibt es. «Dann», erzählt Liliana Schmid,
«gehe ich erst einmal für zwei Stunden spazieren oder sammle Muscheln,
wenn wir an einem Strand sind.» Emil werkelt derweil in seinen
Statistikladen. Polyglott sind beide, Schmids sprechen und schreiben
Deutsch, Englisch, Französisch und Spanisch. Nach zwei Stunden,
durchschnittlich, hat sich die dicke Luft bei den Schmids wieder verzogen.
Schliesslich hat man keine andere Wahl, als zusammen weiterzufahren. Auch
einzeln heimreisen wäre für das kinderlose Paar eine wenig valable Option.
Denn in Wallisellen wartet nur noch eine Abstellhalle, in die die Schmids
1984 ihren Kleinrat hineingeparkt haben. Von all den Zielen, die die
Welt noch bereithält, ist Wallisellen sowieso eines derjenigen, das die
Schmids weniger reizt. «Europa», sagen die Schmids unisono, «das kennen
wir schon.» Mit Ausnahme von Bosnien, Moldawien und Malta habe man diesen
Erdteil komplett abgefahren. Kommt dazu, dass die zwei Sparfüchse ein
grundsätzliches Problem mit der Alten Welt haben: «Das Benzin ist einfach
viel zu teuer in Europa.»
http://www.weltrekordreise.ch/
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