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Bilder unserer Tonga-Reise
(Insel Tongatapu)
 
 
 
 
 
 
       
 
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letzte Foto aufgenommen: 20.1.10
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 01  Seine königliche Hoheit,
König George Tupou V, anlässlich
der Gedenkfeier, die das Ende
des 1. Weltkriegs markiert .....
 02  ..... Prinzessin Pilolevu Tuita, die
Schwester des Königs und König
George Tupou V unter dem Festzelt
der Adeligen und geladenen Gäste .....
03  ..... und Prinzessin Pilolevu Tuita,
die charismatische Schwester des
unverheirateten Königs,
im Gespräch mit einem Gast
 
Die fast bis auf den letzten Platz gefüllte Boeing 767 der Air New Zealand senkt sich um 10 Uhr morgens des 2. November 2009 zum Landeanflug und setzt ziemlich unsanft auf dem kleinen Flugplatz von Fua’amotu auf Tongatapu, der Hauptinsel des Königreichs von Tonga, auf. Glücklich atmen wir auf: Endlich sind wir dem bissig kalten 8-tägigen Zwischenhalt in Auckland in Neuseeland entronnen und wieder zurück im warmen Tropenklima, und von der Hektik der Grossstadt hat uns auch das friedliche Pazifik-Inselleben wieder. Zurück auf ihrer Insel sind auch einheimische Männer und Frauen in Rollstühlen, die für ihre medizinische Versorgung nach Neuseeland ausgeflogen werden mussten. Damals ahnten wir noch nicht, dass bei der Abreise Liliana um ein Haar auch einen Rollstuhl hätte in Anspruch nehmen müssen! Einreise- und Zollformalitäten sind schnell erledigt, und draussen wartet auch schon der Fahrer des „Keleti International Resorts“, das wir via Internet buchten. Alles scheint hier auf Tonga entspannt au sein, so auch die Fahrweise. Von der Hauptstrasse abzweigend, gondelt er mit 30km/h durch eine flache, mit Kokospalmen bestückte Gegend der Südküste entgegen. Unter den majestätischen Palmen wächst vorwiegend Taro (Gemüseknollen), aber auch anderes Gemüse wird angepflanzt. Schon vom Flugzeug aus sahen wir, dass Agrikultur eine Hauptrolle spielt. „Wie streng werden die Geschwindigkeitsbeschränkungen gehandhabt?“, fragen wir den Fahrer. „Radar-Kontrollen sind häufig“ warnt er uns. „Meistens versteckt sich die Polizei hinter den Palmen“, schmunzelt er. Jetzt erinnern wir uns: Irgendwo haben wir gelesen, dass irgend ein Staat der Welt Radargeräte an Tonga verschenkte – als Entwicklungshilfe natürlich. Nun wollen diese natürlich eingesetzt werden.
 
 
 
 
 
 
 04  Die königliche Flagge: Die drei
Sterne symbolisieren die drei Inselgruppen
des Landes, die drei Schwerter die drei
Königsfamilien. Die Taube versinnbildlicht
den Frieden, und die Krone die Monarchie
 05  Der mit Stacheldraht eingezäunte
Königspalast ist ein schmucker, weisser
Kolonialbau aus Holz aus der viktorianischen
Epoche mit roten Dächern. Er wurde in
Neuseeland vorfabriziert und 1867 errichtet
06  Als offizielle Staatskarosse hat
der König ein altes Londoner Taxi
aus den 50er Jahren gewählt
 
Haben wir das Richtige für unseren vorgesehenen mehrwöchigen Aufenthalt ausgewählt? Das fragen wir uns, als wir den Hotelschildern zum Meer folgen. Beim Anblick der Meereslage mit ungetrübtem Blick auf den offenen Pazifischen Ozean und den vorgelagerten Korallenterrassen, wo die Brandung mit spektakulären Wasserfontänen bricht, strahlen wir. Drei versteckte kleine Buchten mit Pools und weissem Sandstrand sind auch vielversprechend. Hier haben wir ein Studio mit „Kitchenette“ – einer kleiner Küche – gebucht, das uns aber nicht gefällt. Es liegt im ersten Stock eines verwetterten Gebäudes, wo man keine eigene Veranda besitzt und wo die Meersicht durch Bananenstauden versperrt wird. „Können wir uns einen der Bungalows anschauen“, fragen wir Pina, die den Familienbetrieb leitet, der erst im April 2009 wieder eröffnet wurde. Mit ihr laufen wir zum letzten der acht Bungalows, jeder nach einem der acht Kinder benannt. „Maima“ heisst der letzte. Und? frage ich Emil, als wir ihn inspiziert haben. Er nickt; hier gefällt es ihm auch. Der Haken ist nur, es gibt keine Kochgelegenheit. Aber Pina ist hilfsbereit und sagt uns gleich zu, dass sie auf der Terrasse einen Zweiflammen-Gasherd für uns installieren wird. Töpfe und Geschirr werden auch gleich mitgeliefert, obwohl wir ja alles selber im Auto dabei haben. Das angepriesene freie Internet ist das einzige, was nicht funktioniert. Oder zumindest nur sehr, sehr sporadisch. Aber es wäre nicht Emil, insistierte er nicht. Und wirklich, nach tagelangem Kampf mit der Server-Firma TCC, funktioniert es nun die meiste Zeit, wenngleich auch sehr, sehr langsam. Von unserer Seite stellten wir den nagelneu in Auckland gekauften Wireless-Router zur Verfügung, damit auch andere Hotelgäste vom Internet profitieren können.
 
 
 
 
 
 
 07  Das Wappen des Königreichs
von Tonga ziert das Tor zum Königs-
palast in Nuku’alofa. Das Fehlen der
sonst weltweit üblichen Sicherheits-
vorkehrungen ist in Tonga offensichtlich
 08  Vier Ehrengarden halten
Wache vor dem Monument
der Kriegsgefallenen des
1. und 2. Weltkrieges
09  Ehrenmal der Gefallenen
im 1. und 2. Weltkrieg
 
Nun heisst es, unseren LandCruiser aus dem Hafen auszulösen. Nach 9 Uhr am nächsten Tag fährt uns Pina zum Agenten der „Greater Bali Hai“ Schifffahrtsgesellschaft. Fine, der Chef, mit dem wir jeweils per Email verhandelt haben, ist abwesend, aber Tui, einer seiner Mitarbeiter, nimmt sich uns an, zu Beginn allerdings etwas „zugeknöpft“. Er ist nicht informiert und wir müssen unsere ganze Geschichte einmal mehr neu aufrollen. Erst als wir ihm erklären, dass der Zollchef uns eine 4-monatige taxfreie Einfuhr des Autos zugesichert hat, kommt Bewegung in die Sache. Er telefoniert mit Herrn Peter Nash und wir werden daraufhin gebeten, uns bei ihm in seinem Büro beim Zollgebäude gleich über der Strasse zu melden. Vom Moment an, wo wir dem freundlichen Zollchef gegenüber sitzen – er ist übrigens ein „Palangi“, wie die Weissen hier genannt werden – wissen wir instinktiv, dass wir das Glück auf unserer Seite haben. Wie schon per Email bestätigt, akzeptiert er unser „Carnet de Passage“ und leitet die Zollformalitäten gleich in die Wege. Dann bittet er uns, um 14 Uhr nochmals vorbeizuschauen. Jetzt ist es 11.30 Uhr. Wir nehmen den Bus (kostet nur 50 Cents) ins Stadtzentrum, um im beliebten „Friends Cafe“ etwas zu essen. „Hähnchen mit Kokosnuss“ tönt verlockend. Wir bestellen beide dasselbe. Doch was uns dann aber auf dem Teller serviert wird, sind drei kalte Teigrollen mit Hühnerfleisch-Füllung. Von Kokosnuss keine Spur. Na ja, wenigstens müssen wir unseren LandCruiser nicht mit leerem Magen empfangen.
 
 
 
 
 
 
 10  Kadetten und das Polizeikorps sind
für die Gedenkfeier ausgerichtet, die
das Ende des l. Weltkrieges markiert
 11  Eine Gruppe Männer in traditionellen
„Ta’ovala“ – der Matte, die um die Hüfte
gewickelt und mit einem Strick festgehalten
wird – wohnt der Gedenkfeier bei
12  Der prächtige, riesige Baum auf
der Stadt Allmende bietet der
Gedenkfeier eine eindrückliche Kulisse
 
Eine Stunde später, nachdem wir die Rechnungen der Agentur und des Zolls bezahlt haben (total rd. US$350), stehen wir bei hartnäckigem Nieselregen bereits im Hafen vor unserem Container. Gespannt wie immer warten wir auf dessen Öffnung, und glücklich wie immer atmen wir auf: Unser treuer LandCruiser steht unversehrt vor uns; seine 17. Container-Fahrt von Tahiti hat er schadlos überstanden. Der Agent, der uns begleitet, überreicht uns gleich die Papiere, die wir für das Verlassen des Hafens brauchen werden und verabschiedet sich darauf hin. „War das alles?“ „Nur abwarten“, mahnt Emil’ „ Noch sind wir nicht aus dem Hafentor heraus“. Aber es bleibt dabei: Kein Zöllner tritt in Erscheinung, und am Ausgangstor winkt man uns einfach durch, ohne die Papiere überhaupt sehen zu wollen. Wenn das keine Rekordzeit war! Die „Friendly Islands“ (die Freundschaftsinseln), wie Kapitän James Cook die Inselgruppe wegen der Gastfreundschaft der Einheimischen damals taufte, verdienen ihren Namen – dachten wir. In weniger als fünf Stunden schafft es unser LandCruiser tatsächlich, sich in Tonga’s Strassenverkehr einzuordnen.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 13  Die traditionellen aus Pandanus-
Blättern um die Hüften gewickelten
Matten, genannt „Ta’ovala“ werden
sowohl von Frauen wie von
Männern getragen
 14  Eine junge Mutter mit ihrem
festlich gekleideten Kleinkind
verlässt den Platz der Gedenkfeier
15  Der Sonntag ist heilig – niedergelegt
in der Verfassung. Kein Flugzeug landet
und started, kein Schiff läuft aus und die
Strassen der sonst lebhaften Hauptstadt
Nuku’alofa sind verwaist
 
Verglichen mit den vorhergehenden Pazifik-Inseln, zeigt uns Tonga ein komplett anderes Gesicht. Es ist total flach und eher trocken. Palmen gibt es zwar überall, doch die Vielfalt an tropischen Blumen fehlt gänzlich, und auch der Vogelwelt scheint es auf den tropischeren Inseln besser zu gefallen. Wir vermissen das dort allgegenwärtige fröhliche Gezwitscher, das uns jeden Morgen weckte. Schon aus der Luft stellten wir fest, dass sehr viel angepflanzt wird, was sich auf dem bunten Talamahu Markt in Nuku’alofa, der Hauptstadt, auch auf die Preise auswirkt. Zurzeit ist gerade Erntesaison von Tomaten, Pepperoni, Gurken, Salat, Kürbissen und Ananas. Für einen Euro kriegt man so ungefähr zwölf grosse Tomaten oder annähernd so viele Gurken. Sie sind feinsäuberlich in Pyramiden aufgestapelt. Es sieht so aus, dass bei uns wieder einmal eine ausgesprochene Gemüsezeit angesagt ist.
 
 
 
 
 
 
 16  Die „Centennial Church“ – ein
massiver Steinbau im Herzen
Nuku’alofa’s. Obwohl erst 1983
gebaut, scheint es viel älter zu sein
 17  Die Königlichen Gräber sind
für das Publikum unzugänglich.
Dieser Ort ist seit 1893 der
Bestattungsort der Könige Tonga’s
18  Die Verwaltung und Residenz des
Britischen Hochkommissars ist eines
der verbleibenden nostalgischen Bauten
der pazifischen Kolonial-Architektur
 
Tonga’s drei Inselgruppen bilden das letzte Königreich der Südsee. Gegenwärtig regiert König George Tupou V. Der kleinen, bescheidenen Inselgruppe angepasst ist auch der hoch mit Stacheldraht eingezäunte Königspalast. Es ist „nur“ ein schmucker, weisser Kolonialbau aus der viktorianischen Epoche mit roten Ziegeldächern in einem Park an der Meeresfront gelegen. Er wurde in Neuseeland vorfabriziert und 1867 errichtet. Das erste Mal stehen wir am 8. November, an unserem ersten Sonntag in Tonga, davor. Wir fuhren die 10km in die Stadt, obschon wir wussten, dass sonntags gesetzesmässig alles, aber auch alles lahmgelegt ist. Nicht einmal Flugzeuge starten und landen und auch der Schiffs- und Fährenbetrieb ist gänzlich eingestellt. Ebenso sind Sportveranstaltungen und Unterhaltungsprogramme untersagt. So sind die Strassen mehr oder weniger verwaist, und wo es eine Autoansammlung gibt, gibt es mit Sicherheit eine der vielen Kirchen, wo die Menschen gerade einer heiligen Messe beiwohnen. Wie die Samoaner, sind auch die Tonganer sehr religiös. Deshalb sind wir überrascht zu sehen, dass auf dem Platz gegenüber dem Palast ein offizieller Anlass in Vorbereitung ist. Der Durchgang für Autos ist bereits abgeriegelt. Zu Fuss treten wir näher, und ohne es zu wissen, werden wir Zeuge der weltweit begangenen jährlichen Gedenkfeier, die normalerweise am 11.11., 11.11 Uhr das Ende des ersten Weltkriegs markiert. Aber Tonga hat anders disponiert: Immer am zweiten Sonntag im November um 12Uhr! Das Polizeikorps und die Polizeimusik sind schon in Reihen ausgerichtet, und ranghohe Offiziere, geschmückt mit vielen Medaillen, sind vertreten. Zuvorkommenderweise weist man uns einen Platz auf der Nebentribüne zu.
 
 
 
 
 
 
 
 19  Den Anblick, den wir im Keleti
International Resort jeden Tag geniessen:
Vorgelagerte Korallenterrassen, welche
die Brandung bremsen, und eine kleine
Bucht mit weissem Sandstrand
 20  „Unser” Bungalow
zwischen Kokospalmen und
mit Meeresblick beim
Keleti International Resort
21  Liliana ist bereit mit dem Lunch
auf der Veranda unseres Bungalows
beim Keleti Beach Resort
 
Unter dem Festzelt der Adeligen und Ehrengäste treffen immer noch neue Geladene ein. Dann passiert lange Zeit nichts mehr: Man wartet auf seine Majestät, den König! Alle erheben sich, als seine offizielle schwarze Staatskarosse – nein, es ist keine Limousine, sondern ein historisches Londoner Taxi aus den 50er Jahren – auf den Platz rollt und seine königliche Hoheit aussteigt. Für uns markiert es einen ganz besonderen Moment, und es ist ein besonderes Privileg, den König aus nächster Nähe sehen zu dürfen. Mit seinem weissen Tropenhelm und ganz in weiss gekleidet bietet er mit seiner korpulenten Figur eine stattliche Erscheinung. Mit der Niederlegung des ersten Kranzes beim Monument der Gefallenen des ersten Weltkrieges leitet er sodann die Zeremonie ein. Es folgen Regierungsmitglieder, Familienangehörige und Botschafter, so diejenigen aus Australien, Neuseeland, und China, deren Flaggen auch gehisst werden. Alles spielt sich in einem eher stillen Rahmen ab, untermauert von Landeshymnen, leiser Militärmusik und kurzen Gedenkreden. Nach gut einer Stunde steigt seine Königliche Hoheit wieder in sein geliebtes „Londoner Taxi“ und bekundet damit das Ende der Gedenkfeier. Auch wir machen uns durch die leeren Strassen auf die ‚Heimreise’.
 
 
 
 
 
 
 22  Wir beide beim Sonnenuntergang
auf der Terrasse des
Keleti International Resorts .....
 23  ..... Jeden Abend bezaubert er
uns mit einer neuen Farbenpalette .....
24  ..... Pina, die Managerin des Familien-
betriebs „Keleti International Resort“
(in grün) und ihre Cousine Latu (links)
 
Tags darauf hält uns etwas anderes beschäftigt: Wir befinden uns mitten in der Stadt als einer unserer vier alten Michelin-Reifen, die wir in Thailand für je US$100 gekauft hatten, sich nach 44'000 km Laufzeit für immer verabschiedet. Glücklicherweise passiert es hinter der ANZ-Bank. Dort können wir ihn auf dem ebenen Parkplatz ohne Menschenansammlung wechseln. Eine Reifenreparaturbude ganz in der Nähe nimmt ihn dann gratis entgegen und repariert gleichzeitig auch den Schlauch. Plötzlich begrüsst uns jemand freudig auf Schweizerdeutsch. So lernen wir Olivia und Leonhard kennen – sie Tonganerin, er Schweizer, und zwei Tage später folgen wir bereits einer Einladung zu einem Mittagessen nach Fahefa an der Südwest-Küste, wo sich die beiden auf dem Land ein einfaches Häuschen aus Backsteinen gebaut haben. Sorgfältig ist das Essen auf dem Boden auf Bananenblättern angerichtet. Es gibt hiesige, mit Kokosnuss zubereitete Fischspezialitäten, roh und gekocht (sogar Emil, der kein Fischliebhaber ist, schmeckt es), Maniok, Ananas und Melone.
 
 
 
 
 
 
 25  Olivia und Leonhard – ein nach
Tonga ausgewanderter Schweizer – und
Emil vor unserem LandCruiser in Fahefa
an der Südküste der Insel Tongatapu
 26  Wir sind zu Gast bei Olivia und
Leonhard in ihrem Heim in Fahefa und
geniessen ein traditionelles Essen
27  Olivia’s Bruder mit seinem Sohn
bei der Zubereitung des Mittagessens
am offenen Feuer, das mit Kokosnuss-
Schalen gespiesen wird
 
Wir setzen uns im Schneidersitz auf eine Pandanus-Matte am Boden, wie es hier traditionell üblich ist. Emil „leidet“ nicht wenig, hat er doch echt Mühe mit dieser Sitzhaltung. Er ist dann froh, als er nach dem Essen seine Beine wieder bequem ausstrecken kann. Durch Leonhard kriegen wir auch einen etwas tieferen Einblick in die Kultur Tonga’s, die für uns zwar nicht unbekannt, aber etwas angewöhnungsbedürftig ist. So essen z.B. Leonhard und wir beide alleine und als erste, während Olivia uns von abseits zuschaut und ihre junge Cousine mit einem Lappen die Fliegen von den Speisen verscheucht. Erst nachdem wir fertig sind, bedienen sich die beiden Frauen, aber separat von uns. Dies ist eine Geste des Respekts gegenüber dem Gast. Ein Grundstein der Kultur Tonga’s ist auch, dass jedermann alles mit jedem teilt, vor allem auch das Essen. “Es ist eigentlich ein kommunistisches System“, argumentiert Leonhard. Man muss sich daran gewöhnen.„Man darf sich auch nicht ärgern, wenn z.B. von acht guten Tellern plötzlich nur noch zwei übrig bleiben oder mit alten vermischt sind, die nicht Dir gehören, oder vom guten Besteck nicht mehr viel vorhanden ist“. Ehrlicherweise gibt er aber zu, dass auch er zu Beginn Mühe mit dem „Allgemeingut“ hatte. Interessant ist auch, dass man keinen Wert auf einen schönen Ausbau des Hauses legt. Steht das Dach und bleibt man trocken, so stellt man die Arbeiten ein. Es herrscht kein Bedarf an einem Anstrich oder gar einem Dekor. Man verbringt in diesem warmen Klima die meiste Zeit ja ohnehin draussen.
 
 
 
 
 
 
 28  Unser LandCruiser posiert vor
einem Plakat mit dem König von
Tonga in der Hauptstadt Nuku’alofa,
was “Wohnsitz der Liebe” bedeutet
 29  Die königliche Residenz trohnt
auf einem grünen Hügel – der
einzige auf der flachen Hauptinsel
Tongatapu, die auch die
“heilige Insel Tonga” genannt wird
30  Die St. Mary’s Kathedrale an
der Vuna Road ist eine der
herausstechenden zahlreichen
Kirchen in einem Staat, wo das
Leben von der Religion geprägt wird
 
Hier in Fahefa sind wir schon fast am nordwestlichsten Zipfel angelangt. Viel zu entdecken gab es bisher nicht. Was uns jedoch gefällt ist das ausgesprochen friedliche Inselgefühl, wenn wir durch die schmalen Strassen und allgegenwärtige Palmenlandschaft rollen und uns nur ganz selten mal ein anderes Fahrzeug kreuzt. Ab und zu tritt ein Dorf in Erscheinung, mit zumindest einer Mormonen-Kirche, aber auch Gotteshäuser anderer Glaubensgemeinschaften. Einen eigentlichen Dorfkern gibt es nicht: Es ist einfach eine Ansammlung von Häusern entlang der Strasse. Am äussersten Nordwestzipfel der Insel steht ein kleines Monument. Es gedenkt des holländischen Entdeckers Abel Tasman, der am 21.1.1643 hier an Land ging. Dies ist eine der drei angepriesenen Attraktionen westlich von Nuku’alofa. Eine andere sind die „Flying Foxes“, die fruchtessenden Flughunde, die an den Ästen der Kasuarinen beim Friedhof der Ortschaft Kolovai baumeln – allerdings nicht mehr zu Hunderten, wie in gewissen Reiseführern immer noch geschrieben steht. Wir mussten sie suchen! Angeblich sind sie ausgezogen oder vielleicht auch im Topf gelandet, obwohl offiziell die Jagd dieser auf Tonga als heilig geltenden Flughunde nur der Königlichen Familie gestattet ist. Die Hauptattraktion selbst sind die „Blowholes“ von Houma, auch „Pfeile des Häuptlings“ genannt. Über viele Kilometer presst hier die starke Brandung Wasser aus kleinen Kavernen und Höhlen und produziert dabei meterhohe Fontänen. Wir haben das Glück, dieses beeindruckende Schauspiel täglich bei Flut auch bei unserem Keleti Beach Resort zu erleben. So hält sich unsere Begeisterung für die Hauptattraktion Tonga’s etwas in Grenzen.
 
 
 
 
 
 
 31  Das koloniale Eckhaus neben
dem “Friends Café” an der
Hauptstrasse (Taufa’ahau Road) von
Nuku’alofa ist eines der wenigen
alten Bauten, welches die Unruhen
von 2006 schadlos überlebt hat …..
 32  ….. auch vier Jahre darnach
klaffen überall noch Wunden, ist die
Stadt noch ein unschöner Bauplatz
33  Vielerorts kann man immer
noch die guten Wünsche zur
Krönung seiner königlichen
Hoheit im Jahre 2009 lesen –
hier am Eingang zum Vuna-Kai
 
Wir gehen auf eigene Entdeckungstour und schwenken in jedes Schottersträsschen ab, das zum Meer führt. Meistens landen wir bei einem Strandhotel höherer Preisklasse, die alle allerdings einen ziemlich leeren Eindruck auf uns machen. An der Nordwestküste gibt es deren fünf. Was dort anders und lieblicher ist als bei unserem Keleti Resort an der rauen Südküste sind der lange weisse Sandstrand und die blaue fischreiche Lagune, geschützt durch das Riff. Dafür ist es bei uns dramatischer und ein immerwiederkehrendes Erlebnis, wenn bei Flut die Wellen mit voller Wucht an die Korallenterrassen donnern und haushohe Wasserfontänen in die Luft speien. Es stört uns auch nicht, dass wir wegen der starken Brandung nachts nur mit Ohrenstöpseln schlafen können. Was uns hingegen stört ist, dass unser LandCruiser tagtäglich dieser enormen Meeresgischt ausgesetzt ist, und wir befürchten, dass er schon bald so aussehen wird, wie die meisten Autos hier: Durchrostet und abbruchreif. Und nicht ganz unberührt lässt uns auch die Tatsache, dass es kein Tsunami Warnsystem gibt; es wird nur per Radio durchgegeben. Was ist, wenn er nachts anrollt? Dann ist unser Schicksal besiegelt. Denn wir glauben kaum, dass unser Nachtwächter die ganze Nacht hindurch das Radio eingeschaltet hat!
 
 
 
 
 
 
 34  Es ist Erntezeit der
Wassermelonen. Das generelle Angebot
auf dem Zentralmarkt (Talamahu-Markt)
in Nuku’alofa ist gross …..
 35  ….. Mutter, Grossmutter
und Kind beim Einkaufen …..
36  ….. Wurzelgemüse wie Cassava
und Yam, die zur Hauptdiät der
Insulaner gehören,
gibt es in jeder Menge
 
Es ist 23 Uhr: Wir haben gerade wieder die Lichter gelöscht und dösen wieder ein, nachdem wir unsere Nachbarn – vier Studentinnen aus Neuseeland – um mehr Ruhe bitten mussten. Irgendwann rüttelt das Bett. „War das nicht ein Erdbeben?“ Hellwach setze ich mich im Bett auf. Auch Emil hat es gespürt. Es ist 01.47 Uhr morgens. Nachdem wir wissen, dass es auf der Insel kein Tsunami-Warnsystem gibt und der tiefe Tonga-Graben ganz in der Nähe liegt, ist es uns gar nicht mehr wohl in unserer Haut. An Schlaf ist jetzt sowieso nicht mehr zu denken. Emil steht auf, packt seinen Laptop und läuft zum Hauptgebäude, wo er dank unserem dort installierten Transmitter vor dem Haupteingang Wireless-Empfang kriegt. Er will die Internetseite des Pacific Tsunami Warning Centers in Hawaii konsultieren, das den ganzen Pazifik abdeckt. Was nun? Soll ich mich bereits anziehen oder nicht? Unschlüssig und nervös bleibe ich im Bett liegen, um auf Emil’s Neuigkeiten zu warten. Als er nicht sogleich alarmschlagend angerannt kommt, beruhigen sich meine Nerven ungemein. „Es gab am 24.11.09 ein Erdbeben der Stärke 6.8, rund 180 km östlich von hier im Tonga-Graben, aber es wurde bereits wieder Entwarnung gegeben“ rapportiert er einige Minuten später. Mir läuft es trotzdem eiskalt über den Rücken. Warum spielen wir hier eigentlich „Russisch Roulett“, frage ich mich.
 
 
 
 
 
 
 37  Der Zentralmarkt (Talamahu-
Markt) in Nuku’alofa ist ein belieber
Ort, wo sich die Männerwelt
zur Unterhaltung trifft
 38  Frauen auf dem Weg zu einem
Begräbnis. Begräbnis-Feierlichkeiten
können tagelang andauern
39  Vor ihrer Schule führen Mädchen
einen traditionellen Tanz auf. Die
Wertschätzung der Tradition des
Königreichs wird schon in
jungem Alter gefördert
 
„Was, Ihr wollt drei Monate in Tonga bleiben!“. Diesen überraschenden Ausruf hören wir immer wieder. „Was macht Ihr denn so lange hier?“ Ja, was machen wir so lange auf einer Insel, die nur ca.150 km Strassen aufweist? Ganz einfach: Wir geniessen es. Wir geniessen das Entdecken, die Tage unter der pazifischen Sonne, den entspannten Lebensstil, die weissen Sandbuchten mit der Vielfalt an kleinen Muscheln, unseren kleinen eigenen Bungalow mit Kochgelegenheit und Meersicht, die dramatischen Sonnenuntergänge – jeden Tag in einer andern explodierenden Farbenpalette – das Einkaufen auf dem bunten Markt und das Stöbern in den vielen kleinen Chinesen-Läden, die den uns bekannten Wirrwarr an Waren jeglicher Art anbieten. Und natürlich sind wir auch mit Beantworten von Emails beschäftigt (gemäss Emil’s Statistik im November über 200!), sowie der Aktualisierung unserer Webseite.
 
 
 
 
 
 
 40
 41
42
Schulkinder geniessen offensichtlich den blumenreichen traditionellen Schmuck und ihre Gesangsvorführung vor dem Beginn der Weihnachsferien
 
Nuku’alofa, die Hauptstadt, ist kein attraktiver Ort. Sie mag es noch gewesen sein vor den mächtigen Ausschreitungen von 2006, wo eine einfache Demonstration ausartete und ausser Kontrolle geriet. 70% des Stadtzentrums gingen dabei in Flammen auf. Auch heute, drei Jahre darnach, klaffen immer noch überall viele unschöne Lücken. Der Wiederaufbau geht eben in pazifischem Tempo voran, allerdings leider nicht im Kolonialbaustil, sondern mit den heute stereotypen Neubauten. Es fällt uns auf, dass ausserhalb des Stadtzentrums die meisten Chinesen-Läden ihre breite offene Ladenfront mit Eisengittern versehen haben und die Kundschaft nur durch ein kleines Fenster bedient wird. Es scheint, dass sie sich nicht so sicher fühlen. Übrigens sprechen die meisten Ladenbesitzer kein Englisch, wir hörten aber, dass sie sich mit der Lokalbevölkerung doch verständigen können, da die einheimische Sprache für die Chinesen leicht erlernbar sein soll.
 
 
 
 
 
 
 43  Bei Hufangalupe im Süden öffnet
sich uns ein wunderschönes Panorama
über die steile Korallenküste …..
 44  ….. es ist auch ein entspannter
einsamer Ort zum Verweilen …..
45  ….. und dem ewigen
Spiel der Wellen zuzuschauen
 
Eines Nachmittags in der Halbzeit unseres Tonga-Aufenthaltes passiert etwas, das unseren weiteren Aufenthalt in Tonga total umkrempelt. Wir sind von Hanne und Gisbert, einem deutschen Paar, am 14. Dezember 2009 zu Kaffee und Kuchen, Bier und Wein eingeladen. Sie wohnen in einem netten Haus in Meeresnähe mit viel Umschwung und kümmern sich um die acht vernachlässigten Hunde ihres Landlords, der gleich nebenan woht. Diese Achterschar hält sich in ihrem Garten auf und wird durchgefüttert. Draussen weht ein unangenehmer Wind, so setzen wir uns lieber ins Haus. Es ist heimelig eingerichtet, so wie wir es uns von zuhause gewohnt sind. „Willst Du mit mir die Hunde füttern?“, fragt mich Hanne gegen Abend. „Gerne, ich hole mir nur noch rasch eine Jacke aus dem Auto“ entgegne ich und gehe auf das Gartentor zu. Ohne Vorwarnung attackieren mich die beiden grossen Hunde, werfen mich zu Boden und beissen sich an meinen Beinen in guter, alter „Löwenmanier“ fest. Auf mein Schreien hin gelingt es unseren Gastgebern, die Hunde wegzuscheuchen. Im ersten Moment spüre ich keinen allzugrossen Schmerz. Als ich aber die zerrissenen und mit Blut verschmierten Hosenbeine hochziehe, trifft uns alle fast der Schlag: Zwei riesige tiefe Fleischwunden klaffen uns entgegen und Blut strömt unaufhörlich aus den Bisslöchern. „Was machen wir jetzt?“, rufen Hanne und Gisbert wie aus einem Mund panikartig. Doch Emil bewahrt kaltes Blut: Wie damals an Weihnachten 2005 in Kambodscha an der Mekong-Fähre, als mir ein Autofahrer mit dem Vorderrad über den Fuss rollte, packt er mich sofort ins Auto und rast mit mir zum ca. 15 Minuten entfernten Haupt-Spital Vaiola.
 
 
 
 
 
 
 46  Geniessen eines weiteren
Sonnenuntergangs bei Hufangalupe
an der Südküste
 47  Der bekannteste Ort zum
Beobachten der Wasserfontainen
ist in Houma (Mapu’a ’a Vaca),
wo an einem windigen Tag und
bei rauher See Hunderte davon
in die Höhe schiessen
48  Der weisse Sandstrand in
Oholei an der Ostküste dehnt
sich kilometerlang nordwärts
 
„What happened?“, „Was ist passiert?” will man sofort wissen, als mich Emil mit dem Rollstuhl in den Chirurgie-Raum rollt, wo noch ein junger Mann auf dem Operationstisch liegt und auf das Kreuz seines Rosenkranzes beisst, während er behandelt wird. Wir erklären es. Fünf Minuten später liege ich dort. „Es hat eine kleine Arterie erwischt“, erklärt mir die Ärztin. Nähen könne sie noch nicht, die Infektionsgefahr bei Hunden sei sehr gross. So kriege ich erst einmal einen Druckverband und eine Starrkrampf-Sprize (meine Impfung ist gerade abgelaufen). 24 Stunden später, nach einer sehr schlechten Nacht, liege ich erneut auf demselben Tisch. Die Ärztin findet die Wunden soweit sauber und entscheidet, gleich zu nähen. Ich muss mein wundes Bein auf eine Kartonschachtel mit Gummihandschuhen hoch legen, die zuvor auf dem Boden lag. Der „Scheinwerfer“ oberhalb meines Kopfes wird eingeschaltet. Wenn es gut geht, gibt er etwa 40 Watt ab. Die Ärztin trägt ihre normale Strassenkleidung, einen Mundschutz hat sie nicht, immerhin streift sie aber Gummi-Handschuhe über. Um es kurz zu machen. Es braucht 12 Fäden, um die beiden tiefen Bisslöcher zu stopfen – übrigens eine sehr schmerzhafte Angelegenheit, und ich bin froh, dass ich mich an Emil klammern kann. Mit einem Rezept für Antibiotika, der Instruktion, das Bein während der nächsten sieben Tage hochzulagern und nachdem wir € 24 für die Behandlung bezahlt haben, rollt mich Emil wieder zum Auto zurück. Dann geht es auf die Antibiotika-Suche: Das Spital selbst hat entweder keine oder niemand kann sie mehr herausgeben. Da es Samstagabend ist, haben die Apotheken schon geschlossen; Notdienst gibt es nicht auf Tonga. Wir haben jedoch Glück, dass bei einem Laden noch jemand umherirrt und die verschriebenen Tabletten herausgibt, uns jedoch dafür viel zu viel verrechnet. In der Not wird nicht mehr lange gehandelt.
 
 
 
 
 
 
 49  Ausserhalb der Stadt führen
einsame Strassen durch die flache,
mit Kokospalmen bewachsene
Insel; hier im Süden die Liku Road
 50  Einer der noch wenigen
verbleibenden Flughunde im Dorf
Kolovai im nordöstlichen Zipfel, die
unter dem Schutz der königlichen
Familie stehen. Diese Vegetarier
dürfen nicht gejagt werden
51  Unser bevorzugter Strand
liegt an der nordwestlichen Ecke.
Er ist meistens verwaist
 
Zurück bei unserem Bungalow, verfolgen wir auf dem Internet mit Unruhe die weitere Entwicklung des Zyklons „Mick“, der zurzeit über Fidschi hinweg zieht und sich Tonga zu wendet. Und ausgerechnet, als wir die Informationen über dessen Verlauf am nötigsten brauchen, steigt auch das Internet aus. Nach dem Eindunkeln beginnen die starken Winde. Kokosnüsse und Palmwedel fallen zu Dutzenden herunter. Dann setzt sintflutartiger Regen ein und es wird pechschwarz, und kurz darauf bricht auch noch die Stromzufuhr zusammen. Einen Generator gibt es ohnehin nicht. Alles liegt im Dunkeln; es ist ein ziemlich unheimliches Gefühl. Emil meint zynisch: „Jetzt, wo Du nicht mehr laufen kannst, fehlt uns nur noch ein Tsunami“. Gottseidank beruhigt sich aber die Lage: Im Laufe der Nacht kommt der Strom wieder zurück; zwischen Fidschi und Tonga löst sich „Mick“ am nächsten Tag auf; und als wir am Morgen unseren LandCruiser inspizieren, dessen Scheiben wir vorsorglich rundherum vergittert hatten, atmen wir erlöst auf – keine Kokosnuss hat ihn erwischt. Alles ist nochmals gut gegangen.
 
 
 
 
 
 
 52  Die Toten werden unter Sandhügeln
begraben, die mit künstlichen Blumen
dekoriert sind. Vielfach fehlt auch die
Bettdecke des Verstorbenen nicht
 53  Die früheren Friedhöfe der Könige
und ihrer Familien, genannt „Otu Langi“,
wurden in Form von gestuften Plattformen
gebaut; hier beim Dorf Mu’a
54  Beim Fua’amotu Punkt am
südlichsten Zipfel sind die
Sandhügel der Gräber mit
leeren Bierflaschen abgegrenzt
 
Neun Tage später: Zum dritten Mal liege ich im „Operational Theatre“ des Hauptspitals, wie der Operationssaal an der Aussentüre auf einem Karton zutreffend mit Druckbuchstaben angeschrieben ist. Und zum dritten Mal können wir es kaum fassen, wie abbruchreif und heruntergekommen hier drinnen alles aussieht. Die einmal weiss verputzten Wände sind gelb und abgeblättert, der grüne Linoleumfussboden ist verfleckt und vielerorts aufgerissen. An mehreren Orten fehlen sogar ganze Stücke, und durch die offene Schranktüre sehen wir ein unordentliches Durcheinander. Dieser desolate Zustand ist unglaublich, wenn man bedenkt, dass der König vor ein paar Monaten für seine Krönung zwei Millionen Dollars ausgegeben hat. Heute kümmert sich eine neue Krankenschwester um mich. „Es sieht nicht gut“ aus, meint sie, als sie den Verband wegnimmt. Blut und verfärbtes Wasser läuft aus den Wunden, was heisst: Sie haben sich stark infiziert! Jetzt ist genau das eingetreten, wovor wir ungeheure Angst hatten. „Was machen wir nun“, fragt Emil alarmiert. „Ich ziehe jetzt die Fäden und bitte Sie, jeden zweiten Tag zur Kontrolle vorbeizukommen“. Gottlob ist das Ziehen der Fäden schmerzlos. Als wir das „Operations-Theater“ verlassen, wartet draussen der nächste Patient: Ein kleiner Junge mit einem stark blutenden Schnitt in der Hand.
 
 
 
 
 
 
 55  Der Glockenturm einer der
Kirchen (diese in Houma), der durch
seine spezielle Bauart ins Auge sticht
 56  Tonga’s grösste
Glaubensgemeinschaft sind die
Mormonen (Latter-Day Saints).
In jedem noch so kleinen Dorf gibt
es einen ihrer Tempel. Dieser ist der
prächtige Haupttempel in Liahona
57  Die nostalgische Kirche in
Lavengatonga aus dem
Kolonialzeitalter an der
südlichen Ostküste des Königreichs
 
Unsere Stimmung am Heiligabend in unserem Bungalow ist den Umständen entsprechend etwas gedämpft. Diese Wundentwicklung beunruhigt uns zunehmend. Zwei Tage darnach, am Samstag nach Weihnachten, humple ich auf meinen Krücken erneut zum Spital. Dieses Mal ist es ein Krankenpfleger mit indischem Einschlag, der mich verarztet. Als der Verband weg ist, ruft Emil entsetzt „Alles ist vereitert“. Einmal mehr werden nun die Wunden gesäubert, aber dieses Mal nur noch rudimentär mit Gaze bedeckt und notdürftig mit Pflasterstreifen befestigt. „Die Wunden müssen Luft kriegen“, ist die Begründung des Pflegers. Der Zufall will es, dass am Mittag meine letzte Antibiotika-Tablette aufgebraucht ist, weil uns zuwenig gegeben wurde, und wir bitten um ein neues Rezept. „Kommt am Montag wieder, dann wird der Arzt entscheiden“. Und dabei bleibt er hartnäckig und entlässt uns auf die Strasse. Es ist ja unglaublich. Jetzt, mitten in einer lebensgefährlichen Infektion soll ich auch noch die Antibiotika unterbrechen? Wir suchen nach einer Lösung und klappern alle Apotheken ab; doch heute Stephanstag sind ausnahmslos alle geschlossen; niemand ist zu finden. Nun läuft Emil Amok.
 
 
 
 
 
 
 58  Die Sommerresidenz der
Königsfamilie am südlichsten Zipfel
ist schlicht gehalten
 59  Liliana steht vor dem Gedenkstein
von Kapitän James Cook,
der hier im Jahre 1777 landete
60  Eines der raren Überbleibsel
aus der Kolonialzeit im kleinen
Dorf Fua’amotu im Süden
 
Zufällig läuft uns Carol, die für das amerikanische Peace Corps arbeitet. vor einem Supermarkt über den Weg. Sie verspricht uns, sich zu erkundigen, wie wir zu neuen Antibiotikas kommen könnten. Wir erwägen bereits, am Montag entweder nach Auckland oder Australien zur Behandlung auszufliegen, denn die Lage ist ernst. Doch die Bemühungen Carol’s tragen Früchte. Durch Sally, eine Schweizerin, konnten wir einen NGO Arzt mobilisieren. Er wartet bei der Dorf-Missionsklinik auf uns. Als Dr. Mike, ein französischer Neukaledonier, sich mein Bein anschaut und wir ihm den ganzen Hergang schildern, schüttelt er nur den Kopf über die Pfuscharbeit des Spitals: Erstens hätten die Wunden nie genäht werden dürfen, bevor sie sauber sind, und auf keinen Fall die Haut mit dem Muskel. Zweitens wurden mir die falschen Antibiotika verschrieben, und drittens zeugen der rudimentäre Verband und die Unterbrechung der Antibiotika bei der letzten Behandlung geradezu von grober Fahrlässigkeit. Alles lief falsch, was mir ohne weiteres hätte das Bein kosten können. Nun können wir Hanne und Gisbert verstehen, die wegen eben dieser medizinischen Misere aus Tonga fortziehen möchten.
 
 
 
 
 
 
 
 61  Am nordöstlichsten Zipfel steht
das “Ha’amonga’a Maui”, das fast fünf
Meter hohe Trilithon aus Korallenfels.
Das Tor besteht aus drei Steinblöcken,
jeder so um die 20 Tonnen wiegend
(gemäss der „Monarchie“-Webseite), und
wird mit Englands “Stonehenge” verglichen
 62  Ein lieblicher Strand an
der Nordwestküste, wo die
meisten teureren Hotelresorts
gelegen sind
63  Wir fahren durch die schmale
Inselstrasse von Niutoua nach
Haveluliku an der Ostküste und
geniessen die palmenübersäte
Landschaft
 
Und weil ein Unglück selten allein kommt, hält die Polizei Emil auf, als er anderntags in die Stadt fährt, um für mich die verschriebenen Medikamente in der Apotheke zu besorgen, die sie aber allesamt nicht haben! „Es gibt Ärger“, ruft er schon von weitem, als er zurück kommt. „Die Polizei hat mich aufgehalten und nach der tonganischen Auto-Registrierung gefragt. Sie war sehr unfreundlich und hat gedroht, das Auto zu konfiszieren, wenn ich mich nicht umgehend beim Transport Ministerium melde“. Wir schalten sofort das Touristenbüro ein, das sich vor unserer Ankunft dafür einsetzte, dass wir unser Auto temporär einführen dürfen. Sandra, die Büro-Chefin, erklärt sich sofort bereit, ein Empfehlungsschreiben mit der Darstellung der Sachlage aufzusetzen, das Emil tags darauf persönlich dem stellvertretenden CEO des Transport-Ministeriums überbringen muss.
 
 
 
 
 
 
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Momente des Staunens direkt vor unserer “Haustüre” im Keleti Beach Resort an der rauhen Südküste
 
Als er über fünf Stunden wegbleibt, bin ich mir ziemlich sicher, dass er auf das Ausstellen des Bewilligungspapiers wartet. Aber an seinem Gesichtsausdruck sehe ich sofort, dass es nicht geklappt hat. „Wir dürfen keinen Meter mehr fahren. Nur dem König und Diplomaten ist es erlaubt, mit ausländischem Kennzeichen herumzufahren.“, sei die Antwort des CEO gewesen. Warum hat sich in den vergangenen 55 Tagen niemand daran gestört? Es ist ja schon absurd: Alles ist erlaubt in Tonga: Ohne Gurten zu fahren, unversichert zu fahren, betrunken zu fahren, zu telefonieren beim Fahren, Kleinkinder auf Vordersitzen oder sogar auf dem Schoss vor dem Lenkrad zu plazieren, auf einem Motorrad ohne Helm zu fahren – aber nicht mit einer Schweizer-Autonummer, bzw. einem ausländischen Kennzeichen! Ja, so langsam aber sicher können wir uns an den „freundlichen Inseln“, wie James Cook Tonga damals taufte, nicht mehr erwärmen.
 
 
 
 
 
 
 
 67  Wir sind zum “Kaffeekränzli” bei
Hanne und Gisbert eingeladen, wo es
passiert: In ihrem Garten attakieren
zwei Hunde ihres Hausherrn grundlos
und überraschend Liliana …..
 68  ….. Emil rast mit Liliana
zum Vaiola-Spital, wo sie sofort
ins “Operational Theatre” der
Notfall-Aufnahme in den
Operationssaal geführt wird …..
69  ….. nach zehn Tagen entfernt
eine Krankenschwester die Fäden
und es stellt sich heraus, dass das
Bein sehr schlimm und tief infiziert ist
 
Ein paar Tage später steht trotz stärkeren Medikamenten fest, dass nichts heilt, dass es eher schlimmer wird, so dass ein erneuter chirurgischer Eingriff nötig wird. Während einer Stunde „fischt“ Dr. Mike abgestorbene Haut, Dreck und sogar sechs Fäden aus den Wunden, die im Spital nachlässigerweise nicht gezogen wurden. Es passiert am Nachmittag des Silvesters, so dass wir null Lust zum Feiern verspüren und mit einem schlechten Gefühl ins Neue Jahr rutschen. Die nächsten fünf Tage kommt Krankenschwester Denise täglich vorbei, um mir eine Antibiotika-Spritze zu geben und den Verband zu wechseln. Dann, am Ende der dritten Woche geht es langsam aufwärts; ich beginne wieder herum zu humpeln, und eine neue Behandlung zum Wiederaufbau des fehlenden Gewebes zeigt langsam Erfolg. Es ist höchste Zeit, denn Dr. Mike – der einzige Arzt, dem wir vertrauen – hat seinen Job in Tonga vorzeitig an den Nagel gehängt und ist abgeflogen, denn es gibt kaum mehr Medikamente, um seine Patienten zu behandeln, nicht einmal Verbandsstoff ist mehr erhältlich – und kein Geld um irgendwas in Neuseeland zu kaufen.
 
 
 
 
 
 
 70  Liliana kann einen Monat lang
nicht mehr gehen und muss mit einem
improvisierten Rollstuhl vom Bungalow
zum Auto transportiert werden …..
 71  ….. die liebliche tropische
Umgebung und ihre Naturbelassenheit
des Keleti Beach Resort
gibt ihr Auftrieb .....
72  ….. es ist Schwerarbeit, sich mit
Krücken zu bewegen und erinnert
an Kambodscha und Vietnam
 
Inzwischen macht Emils Hartnäckigkeit und Kampf betreffend zu Unrecht auferlegtes Fahrverbot auch Fortschritte. Nach elf Tagen wird es durch den Touristenminister und den Polizeiminister rückgängig gemacht, einfach so per Telefon. Gerade, als sich wieder alles normaleren Bahnen zuzuwenden scheint, erhalten wir die Hiobsbotschaft unseres Schifffahrtsagenten, dass der „South Islander II“ der „Greater Bali Hai“, der mit unserem LandCruiser an Bord in Nuku’alofa am 19. Januar hätte auslaufen sollen, bei Majuro auf den Marschallinseln auf ein Riff aufgelaufen sei. Fazit: Der nächste Frachter kommt erst anfangs März in Tonga vorbei. Und wir haben unsere Budget-Flüge auf den 21. Januar fest gebucht und die Hotels vorbezahlt. Aufmunternde Neuigkeiten folgen gottlob kurz darauf: Das Schiff ist nach sorgfältiger Inspektion doch in der Lage, seine Fahrt fortzusetzen, darf jedoch aus Stabilitätsgründen in den Häfen nur noch seine Fracht entladen, jedoch nicht mehr zuladen – ausser unserem Container! Wendet sich nun das Glücksblatt wieder?
 
 
 
 
 
 
 73  Ein reizendes Kind winkt
uns zum Abschied, als wir am
20. Januar 2010 unseren
LandCruiser zum Hafen fahren
 74  Tui, der Agent der Dateline Shipping,
und Ernst (links) sind zugegen, als Emil
unseren LandCruiser in seinen 18. Con-
tainer steuert, der nach Indonesien
gesandt wird. Ernst hat nach unserer
Abreise das Aufladen des Containers
überwacht und sich voll eingesetzt, dass
uns auch das B/L nachgesandt wurde
75  Am 21. Januar 2010, fliegt uns
Polynesian Blue nach Australien und
die Air Asia X weiter nach Malaysia,
wo Liliana dringender medizinischer
Versorgung ihres Hundebisses bedarf.
Es war ein unromantischer Abgang
von unserem 166. Land
 
Nach meiner einmonatigen Isolation im Bungalow wieder mobil zu sein, ist ein schönes Gefühl. Wir tuckern gemütlich der Nordostküste entlang mit den vielen paradiesisch anmutenden vorgelagerten kleinen Inseln mit ihren weissen Sandstränden, beobachten unterwegs Frauen, die gebückt Krustentiere sammeln und Schweine, die im seichten Gewässer buddeln. Am nordöstlichsten Zipfel stehen wir vor einer der Hauptattraktionen: Dem fast fünf Meter hohen Ha’amonga’a Maui („die Last des Gottes Maui“), bestehend aus drei grossen Korallenblöcken, jeder so um die 20 Tonnen wiegend, die einen Torbogen bilden. Man sagt, dass diese Struktur im alten Polynesien eine ähnliche Funktion hatte wie diejenige von England’s „Stonehenge“. Zwei Tage später, am 20. Januar, wird unser gründlich gewaschener LandCruiser in seinen 18. Container gesteckt und auf eine lange Seefahrt Richtung Westen geschickt. Einen Tag darnach fliegen wir von Tonga aus nach Kuala Lumpur in Malaysia, via Sydney und Gold Coast in Australien. Meine Beinwunde hat sich wider erwarten erneut verschlechtert. Somit sind wir mehr als glücklich, diese Insel zugunsten besserer medizinischer Versorgung verlassen zu können. Es gibt dieses Mal kein Bedauern, eher Erleichterung, als sich die Boeing 737-800 der „Polynesian Blue“ abhebt und bald darauf über den Wolken unserem neuen Ziel entgegen fliegt.